Universitätskommunikation – Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

BERGISCHE TRANSFERGESCHICHTENDie Komplexität von Strömung oder wie man dem Wasser den Weg weist

12.12.2017|12:29 Uhr

In dem US-amerikanischen Actionfilm „Hard Rain“ sorgen heftige Regenfälle für das Ansteigen des Wasserpegels, so dass eine ganze Stadt evakuiert werden muss. Ein Katastrophenszenario, das viele Menschen gerne im Kino sehen, aber niemals erleben möchten. Und genau mit dieser Thematik beschäftigt sich nunmehr seit 30 Jahren Professor Dr.-Ing. Andreas Schlenkhoff.

<span class="sub_caption">Fotos Wissenschaftstransferstelle / Iris Rudolph </span>

Der gebürtige Ruhrgebietler kennt die besorgten Fragen der Bürgerinnen und Bürger, die sich nach Presseberichten zu Überschwemmungen gerne an den Fachmann für Starkregen- und Hochwasserschutz wenden. „Weil wir hier die Wuppertalsperre haben“, sagt er, „glauben viele, dass ein Starkregen oder Hochwasser uns nichts ausmachen kann.“

Doch weit gefehlt. Schlenkhoff sagt ganz offen: „Wir brauchen auf den Klimawandel nicht warten. Wir haben eigentlich dauerhaft Hochwasser! Und wir müssen uns dem stellen.“ Die Gesellschaft lebt mit einem Risiko, stellt er klar, deshalb wird er auch nicht müde, die Öffentlichkeit regelmäßig darüber zu informieren.

Familiär vorgeprägt ist der 58jährige Wissenschaftler durch den Bergbau, den er seit frühester Kindheit durch Großvater und Vater kennt. Doch schon als Jugendlicher war ihm klar, dass ihm die Arbeit im Stollen keine Zukunft bieten wird. So kam er über einen Freund 1980 zum Bauingenieurstudium nach Wuppertal. Dort liebäugelte er dann lange mit dem Thema Tunnelbau und vertiefte seine Kenntnisse der Geotechnik, bis ein Schlüsselerlebnis ihn zur Wasserwirtschaft brachte.

Schlenkhoff erzählt schmunzelnd von einer Exkursion 1985 nach Karlsruhe. „Wir waren auf einer Tunnelbaustelle und nach hundert Metern wurde die Luft dick. Ich bekam Kopfschmerzen und konnte nichts mehr sehen. Heute würde die Baustelle sofort geschlossen. Heute ist alles be- und entlüftet, damals wurde gesprengt und Dieselfahrzeuge fuhren herum.“ Doch am nächsten Tag besuchte er eine Wasserbaustelle in Bayern. „Wir hatten super blauweißes Wetter, es war eine große Baustelle, natürlich am Fluss, eine Betonfabrik, daneben eine Holzwerkstatt, alles schön in Zelten, und sie hatten für die 1000 Mitarbeiter auch noch eine Mensa aufgebaut.“

Das war die Initialzündung. Schlenkhoff fokussierte fortan sein wissenschaftliches Studium auf die Wasserwirtschaft, bekam von seinem Wuppertaler Wasserbauprofessor ein Assistenzangebot, wurde Oberingenieur und arbeitete danach in Indonesien, Indien und Australien, bevor er für weitere Jahre in ein Ingenieurbüro wechselte. Und immer wieder sind Wasserbau und Wasserwirtschaft sein Thema.

Der Ingenieur betreute verantwortungsvolle Projekte, konzipierte Hochwasserrückhaltebecken, Deiche und war maßgeblich für den Bau des Phoenix-Sees zuständig, einem künstlich angelegten See auf dem ehemaligen Stahlwerksareal Phoenix-Ost im Dortmunder Stadtteil Hörde. Dazu sagt er stolz: „Dieses Ingenieurbüro war eines der Führenden. Ich war dort zur richtigen Zeit, die Projekte waren anspruchsvoll und interessant.“

Und trotzdem ist es im Ingenieurbüro so, dass ein Projekt das andere jagt, ein Team von 70 Leuten permanent beschäftigt sein muss und Fragen nicht zur Gänze beantwortet werden können, weil ein neues Angebot schon vorliegt. Dazu konsterniert er sachlich: „Das war eben nicht schön, aber es war so.“

Der Ingenieur entschließt sich nach einigen Jahren zur Rückkehr an die Universität. Und da die Berufungsverhandlungen schon mal länger dauern, betreute er unterdessen die Niederlassung des Ingenieurbüros in Köln und beteiligte sich an dem damals entwickelten Hochwasserschutzkonzept der Stadt Köln.

Seit 2003 leitet er am Institut für Grundbau, Abfall- und Wasserwesen der Bergischen Universität nun das Lehr- und Forschungsgebiet Wasserwirtschaft und Wasserbau. Hier konnte er sich wieder den offenen Fragen zuwenden, die am Schluss eines Projektes übrigbleiben. Mittlerweile beschäftigt sich Schlenkhoff mit seinem fünfköpfigen Team nur noch mit besonderen Projekten.

Ein hervorzuhebendes Projekt verband ihn mit den technischen Betrieben einer Bergischen Stadt. Schlenkhoff übernahm die Untersuchung eines Kanalproblems, da bei starkem Regen das Wasser über die Straße floss, statt in die nur halb gefüllten Gullys zu laufen. Kostenaufwändige Vorgaben des Ministeriums konnte die Stadt aufgrund ihrer Haushaltslage nicht stemmen und wandte sich hilfesuchend an den Wuppertaler Fachmann. Schlenkhoff stellte mit kleinem Budget in diesem Forschungsprojekt erste Rechnungen an und experimentierte in seinem Minilabor. Weitere Forschungsanträge folgten und das Projekt entwickelte – auch durch einen Fernsehbeitrag – eine Eigendynamik, die zur Folge hatte, dass auch andere externe Firmen an die Bergische Universität herantraten.

MeierGuss im Kreis Minden-Lübbeke ist so eine Firma, die zusammen mit dem Lehr- und Forschungsgebiet einen Kanalgully entwickelte, der einen verbesserten Einlauf von Wassermengen in den Straßenablauf ermöglicht. In ihrem Werbefilm weisen sie u.a. auf den bedarfsgerechten Straßenaufsatz, die guten Schluckeigenschaften und den einfachen Einbau des Produktes hin.

Durch die Modifikation der Roststreben und das Drehen der Geometrie um 90 Grad wurde so ein deutlich verbesserter Einlauf sichergestellt. Schlenkhoff hat dazu dreidimensionale Modelle für Strömungssimulationen verwendet und sagt: „Ohne die physikalischen Versuche hätten wir es nicht geschafft.“

Zudem hat er ein Rechtsgutachten initiiert, auf dessen Grundlage die Stadt nun an die Umsetzung geht. Dazu sagt er: „Jedenfalls bauen unsere Projektpartner nun die erste Straße, auf der das Wasser planmäßig an der Oberfläche bleibt. Und das ist eine Revolution. Das merken sie jetzt nicht, aber die Stadtplaner brauchen den Kanal nicht zu sanieren, es muss nur etwas an der Oberfläche gemacht werden. Und dann kann das Wasser oberflächlich gezielt in den naheliegenden Bach abgeleitet werden.“ Diese Transferleistung erschließt sich den Bürgerinnen und Bürgern unmittelbar.

In seinem Fachgebiet würde sich der Professor bei den Studierenden über einen höheren Männeranteil freuen. „Weniger geburtenstarke Jahrgänge kommen jetzt und man muss die Entwicklung beobachten“, sagt er, „wir haben unglaublich gute Frauen.“ Schlenkhoff versucht ständig gute Kooperationen herzustellen und resümiert: „Ich kann jedem versprechen, der bei mir arbeitet oder die Master-Thesis macht, dass er auf jeden Fall einen Job bekommt.“

Spätestens seit Günther Jauchs Sendung „Wer wird Millionär“ aus dem Jahr 2008 wissen wir, dass Wuppertal die regenreichste Stadt Deutschlands ist. Wo, wenn nicht hier, findet das Lehr- und Forschungsgebiet Wasserwirtschaft und Wasserbau beste Arbeitsbedingungen. Davon können Studierende eigentlich nur profitieren.

UWE BLASS

Weitere Transfergeschichten unter
https://www.transfer.uni-wuppertal.de/transfergeschichten.html

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Prof. Dr.-Ing. Andreas Schlenkhoff studierte an der Bergischen Universität Bauingenieurwesen. Neben Auslandstätigkeiten in Indonesien, Indien und Australien, arbeitete er in einem renommierten Ingenieurbüro. 2003 übernahm der das Lehr- und Forschungsgebiet Wasserwirtschaft und Wasserbau am Institut für Grundbau, Abfall- und Wasserwesen an der Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen.

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