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BERGISCHE TRANSFERGESCHICHTEN Vom Olympionikencheck in Wuppertal bis zur Gesundheitsförderung für Alle: Prof. Dr. Dr. Thomas Hilberg und der Lehrstuhl für Sportmedizin

19.09.2017|09:29 Uhr

Als die US-amerikanische Sängerin Whitney Houston 1988 die Olympiahymne des Sommers „One moment in time“ herausbrachte, sprach sie damit vielen Hochleistungssportlern aus der Seele; einmal im Leben ganz oben auf dem Treppchen stehen. Dass der Weg dahin hart, steinig und voller Entbehrungen ist, weiß der Sportmediziner Prof. Dr. Dr. Thomas Hilberg nur zu gut.

„Hochleistungssportler ist man dann, wenn man Sport nicht nur als Hobby hat, sondern als Beruf oder der Sport im absoluten Zentrum steht. Wenn Sportler nicht den ganzen Tag, die Woche, den Monat, das Jahr auf den Sport ausrichten, können sie heute im Spitzensport nicht mehr mithalten. Das Leben muss auf den Hochleistungssport ausgerichtet sein.“

Der gebürtige Trierer leitet seit 2008 den Lehrstuhl für Sportmedizin an der Bergischen Universität, für den er 2017 erneut für vier Jahre die Lizensierung zum Sportmedizinischen Untersuchungszentrum durch den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) erhielt. Nur etwa 30 dieser Untersuchungszentren gibt es bundesweit, an denen Spitzensportler einmal jährlich untersucht werden dürfen. Hilbergs Zentrum, welches er kontinuierlich weiter ausbaut, gehört dazu. Hier werden Leistungssportler im wahrsten Sinne des Wortes auf „Herz und Nieren“ geprüft.
Zu den umfassenden sportmedizinischen Untersuchungen gehören u.a. die ausführliche Erhebung der Eigen-, Familien- und Sportanamnese (Erfassung der Krankengeschichte), die Vermessung und Bestimmung relevanter Körperparameter, Ruhe-, Belastungs-EKG sowie Echokardiographie, Blutdruckmessung, diverse Laboruntersuchungen sowie sportartspezifische Leistungstestungen u.a. im Bereich Ausdauer, Kraft, Koordination und Schnelligkeit.

Sport ist ein wesentlicher Teil meines Lebens

Die gesamtgesundheitliche Verfassung eines Sportlers ist das A und O des Erfolges, und da spielt neben Gesundheitszustand und körperlicher Leistungsfähigkeit auch die richtige Ernährung eine wesentliche Rolle. Daher arbeitet in Hilbergs ca. 15-köpfigen Team auch eine versierte Oecotrophologin, die mit den Athleten individuelle Ernährungsprogramme entwickelt. Andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kümmern sich um spezifische Tests, die die Sportler in der Sportmedizin oder im Trainingszentrum beim Sportler vor Ort absolvieren.

Zu Prof. Hilbergs Klientel gehören neben der Judo- und Badmintonnationalmannschaft Hochleistungssportler aus unterschiedlichen Sportarten, dabei Leichtathletik, Handball, Eishockey, Rollhockey, Fußball, Kanu, Rudern, Reiten, Tanzen aber auch zunehmend paraolympische Sportler aus dem Bereich des Behindertensports.

Professor Hilberg, der selber aktiv Radsport, Skilanglauf, Windsurfing und ein ausgefeiltes Fitnesstraining betreibt, erklärt: „Der Sport ist ein wesentlicher Teil meines Lebens“. Dass er diesen Satz nicht einfach nur so daher sagt, verdeutlicht auch seine langjährige Tätigkeit als Nationalmannschaftsarzt der Eisschnellläufer und des Short Tracks sowie seine aktuelle ehrenamtliche Anti-Doping-Referententätigkeit im Bundesverband der Deutschen Eisschnelllauf Gemeinschaft. Er weiß um die vielen Fälle der stark unter Druck stehenden Sportler, die ihr Leistungsniveau mit Medikamenten zu verbessern versuchen, er kann dies erklären, aber nie verstehen. Aber Doping ist nicht nur im Hochleistungssport weiterhin ein großes Problem. Hier gibt es ein klares Regelwerk, den Anti-Doping-Code, dem jeder Sportler unterliegt. Auch bei ambitionierten Breitensportlern, die nicht schriftlich das Beachten des Anti-Doping-Code bestätigen müssen und keiner Anti-Doping-Testung unterliegen, ist dies problematisch. Darüber hinaus existiert durchaus auch ein Missbrauch von erlaubten Medikamenten, die nicht auf der Dopingliste stehen. Auch in diesem Bereich muss man immer wieder Aufklärungsarbeit betreiben.

Gesundheit hat oberste Priorität

Hilberg konstatiert: „Gesundheit muss die oberste Priorität haben, Doping muss mit entsprechenden Maßnahmen konsequent bekämpft, aber auch zusätzlich die Applikation von regelkonformen und damit erlaubten Medikamenten und Maßnahmen durch Aufklärung auf den absolut notwendigen und sinnvollen Einsatz reduziert werden. Dies ist eine zentrale sportmedizinische Aufgabe im Hochleistungssport, aber zunehmend auch im ambitionierten und leistungsorientierten Breitensport. Der Anti-Doping-Code dient dazu, Gesundheit nicht zu gefährden und „faire“ Wettkampfbedingungen zu schaffen“
Die Hoffnung auf einen möglichst „sauberen“ Sport ist ein Stückchen Idealismus, für das Hilberg stetig kämpft.

Sportmedizinische Ambulanz aber nicht nur für Sportler

In der Sportmedizinischen Ambulanz werden genauso Breitensportler wie Rehabilitationssportler umfassend untersucht und bezüglich des Gesundheitszustandes sowie möglicher Verbesserung, zum Beispiel hinsichtlich der körperlichen Leistungsfähigkeit, beraten. Allerdings steht seine Ambulanz mit ihren Angeboten allen Menschen offen, darunter auch Nichtsportlern von jung bis alt, die mit gesundheitlichen Problemen, wie zum Beispiel mit Herz-Kreislauf- und/oder Gelenk- oder Schmerzproblematiken im sonstigen medizinischen System nicht zurechtkommen oder sich gerne zukünftig körperlich bewegen wollen. Dabei ist besonders zu betonen, dass auch Personen ohne Bezug zum Sport versorgt und beraten werden, denn Gesundheitsförderung geht weit über den Sport hinaus. Viele Patienten haben diese Möglichkeit schon genutzt. Die Versorgung geschieht auf privatärztlicher Basis.

Programmierte Sporttherapie

Darüber hinaus entwickelt die Sportmedizin Wuppertal auch gezielte Bewegungstherapieprogramme zur Prävention und Rehabilitation für Patienten mit Herz/Kreislauf-, haemostaseologischen (gerinnungsspezifischen) oder Gelenkerkrankungen. Das besondere Augenmerk dabei richtet Hilberg, der am Max Planck Institut für Gerinnungsforschung in Giessen/Bad Nauheim promoviert hat, auf die seltene Erkrankung der Hämophilie (Bluterkrankheit). Ein wesentliches Problem dabei ist das spontane Einbluten, dass zu Entzündungen an Schleimhaut- sowie Knorpelverlust führt. Hierzu werden Patienten, die bundesweit von Behandlungszentren vermittelt werden, in zwei Mal im Jahr stattfindende Sporttherapie-Camps nach Bad Blankenburg eingeladen und dort in der Durchführung einer Heimselbstbehandlung geschult.

Der zentral gewählte Ort in Thüringen bietet alle Möglichkeiten, die Patienten adäquat zu schulen, ihre Gelenke zu untersuchen und durch Gespräche mit Physiotherapeuten und Sporttherapeuten des Lehrstuhls individuelle Trainingspläne zu erstellen. Diese Kombination aus Schulungscamp und Heimtraining, die Hilberg als „Programmierte Sporttherapie“ bezeichnet, ist eine sinnvolle, weil individuelle Alternative zur Gruppentherapie und deshalb insbesondere bei seltenen Erkrankungen relevant. Im Rahmen dieser Sporttherapiecamps erfolgen auch wissenschaftliche Untersuchungen, sodass hier ein unmittelbarer Übergang von der sportmedizinischen Versorgung zur Wissenschaft und vice versa besteht. Darüber hinaus wird diese Plattform auch zur Lehrausbildung von Studierenden, dabei insbesondere aus dem Masterstudiengang Sportwissenschaft, genutzt.

Drei große Forschungsgruppen

Hilberg betreut drei große Forschungsgruppen in Wuppertal, die Kardiovaskuläre, Haemostaseologische und Molekulare Sportmedizin (KaHäMo-Sportmed), die sich u.a. mit den Auswirkungen von Sport auf Herz/Kreislauf- und Gerinnungserkrankungen beschäftigt, die Physio- und Sporttherapie mit ihren Möglichkeiten bei z.B. Arthrose- oder Hämophilieerkrankten bzw. Krebs- oder seltenen Erkrankungen, sowie die Forschungsgruppe Pain and Motion (Schmerz und Bewegung) kurz PAM genannt, die die Auswirkung von Schmerzen auf die Bewegung bzw. Bewegung auf Schmerzen untersucht.

Nerven reagieren sensibel

Besonders der Schmerz, der oft durch Bewegung ausgelöst, aber auch durch Bewegung gemindert werden kann, bietet ein weites Forschungsfeld. Er wird subjektiv empfunden und ist schwierig zu quantifizieren. Neben Fragebögen mit klassischer Skaleneinteilung, in der der Patient festlegt, wo er zwischen Stufe eins und zehn seinen Schmerz empfindet, können an der Sportmedizinischen Ambulanz mit der sogenannten „Qualitativ Sensorischen Testung“ noch viele weitere Parameter untersucht werden, die eine genaue Einschätzung ermöglichen. Dazu werden zum Beispiel Reize in Form von Druckschmerz oder Vibrationen an Nerven gesetzt, die der Patient dann bewertet.

Eine besondere Voraussetzung für diese unterschiedlichen Forschungsaufgaben ist die sehr gute Vernetzung mit Kliniken und Praxen in Wuppertal und Umgebung, die einen sehr guten fachlichen Austausch ermöglicht.

Internationale Sportosteopathen kommen nach Wuppertal

Zudem veranstaltet Hilberg im Februar 2018 das erste Sportosteopathenseminar in Wuppertal in Zusammenarbeit mit der Deutsch-Amerikanischen-Akademie für Osteopathie (DAAO). Der Mediziner freut sich über die Möglichkeit, dieses Seminar nun erstmalig nach Wuppertal zu holen, denn er weiß, auch das stärkt die Attraktivität des Standortes.

Gesundheitsförderung hat viele Facetten

Hilberg versteht seine Arbeit als eine Zusammensetzung diverser Disziplinen und resümiert: „Es ist wie das Zusammenstellen aus Zutaten aus einem großen Apothekerschrank. Man fügt aus verschiedenen Bereichen unterschiedliches Wissen und Erfahrungen zusammen, bildet die Erkrankung exakt ab, bringt dies zusammen mit den passenden Elementen der Sporttherapie, richtet dies individuell auf den Patienten aus und erreicht damit eine Verbesserung des Allgemein- und Gesundheitszustandes im Sinne der Gesundheitsförderung.“

Das Zusammenführen dieser Disziplinen in einer Art interdisziplinären Sammelstelle birgt sicher einen großen Schatz für eine ganzheitliche Behandlung.

UWE BLASS

Weitere Transfergeschichten unter
https://www.transfer.uni-wuppertal.de/transfergeschichten.html

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Prof. Dr. Dr. Thomas Hilberg: Facharzt für Allgemeinmedizin, Sportmedizin, Chirotherapie, Osteopathie (DAAO) Lehrstuhl für Sportmedizin, Bergische Universität Wuppertal. Seit 2008 gibt es den Lehrstuhl für Sportmedizin an der Bergischen Universität. Damals wurde Professor Thomas Hilberg als Leiter aus Jena nach Wuppertal berufen. Angesiedelt ist der Lehrstuhl in der Pauluskirchstraße am Campus Haspel.

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