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„Jahr100Wissen“: Ein Traktor wie eine Bulldogge

15.07.2021|16:09 Uhr

In der Reihe „Jahr100Wissen“ beschäftigen sich Wissenschaftler*innen und Mitarbeiter*innen der Bergischen Universität Wuppertal mit Ereignissen, die 100 Jahre zurückliegen und von besonderer Bedeutung für die Gesellschaft waren. Hermann Arens, langjähriger Mitarbeiter im Dezernat für Gebäude-, Sicherheits- und Umweltmanagement, spricht im Interview über die Geburtsstunde des Traktors.

Hermann Arens<br /><span class="sub_caption"> Fotos (2) privat</span><br /><span class="sub_caption">Klick auf die Fotos: Größere Version</span>

Auf der Leipziger Landwirtschaftsausstellung 1921 stellte die Firma Heinrich Lanz Mannheim den Prototyp eines 12-PS-Rohölschleppers mit Glühkopfmotor vor: den Lanz HL, entwickelt von Fritz Huber. Diese Präsentation gilt als Geburtsstunde des Traktors. Was machte das im Aussehen an eine Bulldogge erinnernde Fahrzeug, das den Namen Lanz-Bulldog erhielt, so besonders?

Arens: Die eigentümliche Form des freiliegenden Zylinders und des Glühkopfes erinnerte mit seinen beiden augenähnlichen Entlüftungslöchern entfernt an das Aussehen des Kopfes einer Bulldogge. Diesen so entstandenen Namen behielten auch alle künftigen Traktoren von Lanz als Markenname. Aber die dort vorgestellte Technik revolutionierte die Landwirtschaft, da alle bisherigen Landmaschinen riesige unhandliche Ungetüme (Lokomobile) waren und mit aufwändig erzeugtem Wasserdampf angetrieben wurden. Der Wechsel von Wasserdampf auf Verbrennungsmotoren mit einfachster, robuster Technik im handlichen Format, erleichterte und verbilligte den Landwirten die Arbeit. Dieser einzylindrige Glühkopfmotor mit 6220 ccm Hubraum wurde auf ein Fahrgestell montiert und war somit eine selbstfahrende und lenkbare Maschine, die – einmal angeworfen – den ganzen Tag lief und sehr flexibel eingesetzt werden konnte.

Eine Besonderheit des Lanz HL – HL steht für Dr. Fritz Huber/Lanz – war der sogenannte Vielstoffmotor. Was ist das?

Arens: Der selbstzündende Glühkopfmotor war ein Allesbrenner, der jegliche Art von brennbaren und flüssigen Kraftstoffen (Schweröl, Teeröl, Pflanzenöl, Fette …) verbrannte und in Bewegungsenergie umsetzte. Die große Schwungmasse des liegenden Zylinders mit viel Hubraum – „Ein Motor für Landwirtschaft kann nicht einzylindrig genug sein“, Dr. Fritz Huber – brachte jeden brennbaren Stoff zur Selbstzündung. Das war gerade in Zeiten der Benzin- und Dieselknappheit nach dem 1. Weltkrieg wichtig.

Der Motor des HL kam auch bei anderen Fahrzeugen wie Lokomotiven und Luftschiffen zum Einsatz. Traute man dem neuen Traktor einen langfristigen Erfolg noch nicht zu?

Arens: Im Gegenteil, dieser neue Traktor konnte schleppen, ziehen und antreiben. Das machte ihn schnell zum Universalgerät auf den Bauernhöfen. Die Glühkopftechnik wurde verbessert und weiterentwickelt, bis sie in den 50er Jahren nicht mehr dem Stand der Technik entsprach und die Heinrich Lanz Werke 1960 von John-Deere übernommen wurde. Bis dahin wurden ca. 220 000 Bulldogs verkauft. Der Name Heinrich Lanz steht heute noch für eine große, unvergessene Technik. In den Anfängen des Glühkopfmotors wurden natürlich viele Experimente für unterschiedliche Fahrzeuge gemacht. Der Glükopfmotor wurde auf Schienen als Feldbahn Motorwagen benutzt. Nach dem Tod von Heinrich Lanz 1905, baute sein Bruder Dr. Karl Lanz, der die Firma weiterführte, in frühen Zeiten, 1911 bis 1919, zusammen mit Prof. Johann Schütte auch ca. 500 Luftschiffe und Bomber für den 2. Weltkrieg.

Lanz Bulldog 7506 aus dem Jahr 1935.

Der Traktor wurde sowohl mit Eisenrädern als auch mit Hartgummireifen angeboten. Warum war das wichtig?

Arens: Zu Zeiten als es noch keine Luftbereifung gab (bis Anfang der 30er Jahre) wurde zwischen Eisenbereifung und Vollgummibereifung unterschieden. Die Eisenbereifung war für eine gute Traktion auf dem Acker von Vorteil und rutschte wegen der Eisenprofilierung nicht durch. Jedoch auf der Straße war die Fahrqualität sehr bescheiden und verursachte große Schäden in dem, wenn vorhandenen, Straßenbelag. Dort passte die Vollgummibereifung wiederum besser, da der Fahrkomfort bei Straßenschleppern besser war und andere Geschwindigkeiten erzielt werden konnten. Als Anfang der 30er der Ackerluft Bulldog auf den Markt kam, konnte man sowohl auf der Straße als auch auf dem Acker mit Luftreifen fahren. Um das Durchrutschen auf dem Acker zu vermeiden, konnte der Bulldog mit ausklappbaren Eisenklammern ausgerüstet werden.

Herr Arens, Sie selber besitzen einen Lanz Bulldog 7506 aus dem Jahr 1935. Wo haben Sie ihn gefunden?

Arens: Dieser Lanz gehört unserem Clubmitglied Eckard Himpe, der selber nicht viel damit fährt. Daher nehme ich ihn gerne und oft für Ausfahrten und Ausstellungen mit. Er erstand ihn von einem Bauern aus der ehemaligen DDR.

Auch nach dem zweiten Weltkrieg wurden die Lanz-Traktoren immer noch gebaut und sind bis heute Vorbild vieler Nachfolgetrecker. Was ist so zeitlos an diesem Modell?

Arens: Diese robuste, einfache und „unkaputtbare“ Technik liebte der Bauer, da er vieles selbst und kostengünstig reparieren konnte. Jedoch barg das Anlassen des Motors in der Scheune, das 15 bis 20 Minuten in Anspruch nahm, eine enorme Brandgefahr in sich. Mit einem Brenner (spezielle Lötlampe) musste der Glühkopf zum Glühen gebracht werden, bevor mit dem abgenommenen Lenkrad das Schwungrad angeworfen wurde. Der Motor sollte nicht ausgemacht werden. So manch ein Hof ist dabei abgebrannt. Parallel dazu schnellte die Entwicklung anderer deutscher Traktorenbauer (zur Hochzeit der 50er Jahre gab es gut 50 verschiedene deutsche Hersteller) an Lanz vorbei und die Uhr für den Einzylinder-Bulldog war abgelaufen. Andere Marken wurden stärker, günstiger und effektiver. Zeitlos an diesem Modell ist und bleibt der Name Lanz und das nostalgische Anwerfen des Glühkopfes.

Welcher Trecker beeindruckt Sie besonders?

Arens: Mich persönlich beeindruckt neben der Firma Lanz besonders die Firma Fahr vom Bodensee. Ich persönlich besitze einen Fahr D 180 H von 1953 und eine Eichenholz-Kippkarre aus demselben Baujahr.

Uwe Blass

Das vollständige „Jahr100Wissen“-Interview lesen Sie hier.


Hermann Arens war von 1994 bis 2019 Mitarbeiter im Dezernat für Gebäude-, Sicherheits- und Umweltmanagement der Bergischen Universität.

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