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Schulbau in Nicaragua: „Fast jeder Tag hatte eine neue Herausforderung zu bieten“

20.06.2018|07:23 Uhr

40 Grad im Schatten statt 75 mm Niederschlag: Von Januar bis März 2018 haben Studierende der Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen die Stadt Wuppertal gegen das Dorf Jiñocuabo in Nicaragua getauscht. Ihre Mission: mit Hilfe der Bewohnerinnen und Bewohner sowie ortsüblicher Materialien ein neues Schulgebäude zu errichten. Dass dabei nicht alles nach Plan lief, verrät Nils Koch to Krax im Interview.

Blick auf die fertigen Gebäude

Wie ist die Idee zu dem Projekt entstanden?

Nils Koch to Krax: Der Impuls kam von einer spanischen Kommilitonin. Architekturfreunde von ihr hatten „Bildung.Bauen e.V.“ gegründet und ein ähnliches Projekt bereits durchgeführt. Wir – 12 Studierende der Bergischen Universität sowie Freundinnen und Freunde von uns – haben den Verein dann mehr oder weniger übernommen. Ein Kontakt vor Ort bestand bereits, so dass wir uns letztlich zwischen fünf möglichen Projekten entscheiden mussten. Wir haben dann das ausgewählt, bei dem in unseren Augen der Bedarf am größten war.

Was war das Besondere an Jinocuabo?

Nils Koch to Krax: Die Gemeinde liegt in der Provinz Chinandega im Nordwesten Nicaraguas, 178 km entfernt von der Hauptstadt Managua. Dort leben ca. 300 Familien – hauptsächlich von der Land- und Viehwirtschaft und von maximal 100 Córdobas (ca. 3,30 US-Dollar) am Tag. Die Armutsgrenze liegt bei 2 US-Dollar.

Von den insgesamt 1.500 Einwohnerinnen und Einwohnern sind ca. 500 jünger als 18 Jahre. Nur 357 von ihnen besuchen aktuell die örtliche Schule. Um auch den übrigen einen Zugang zu Bildung zu ermöglichen, mussten neue Gebäude her. Und da kamen dann wir bzw. „Bildung.Bauen“ ins Spiel. Ziel des Vereins ist es, das Bildungssystem durch nachhaltiges Bauen zu unterstützen. Nachhaltig heißt in diesem Fall, dass wir Materialien nutzen wollten, die bereits vor Ort vorhanden und dadurch kostengünstig sind. Gleichzeitig wollten wir die Dorfbewohnerinnen und -bewohner in den Bau einbinden, um ihnen die Möglichkeit zu geben, von uns zu lernen.

Wie sah die Planung aus?

Nils Koch to Krax: Am Anfang standen viele Fragen. Wie ist die Lage vor Ort? Wie viele Gebäude und Räume werden benötigt? Und auf welche Bautechnik setzen wir? Bei der Suche nach Antworten haben wir u.a. die einschlägige Literatur gewälzt. Im Oktober 2017 war zudem ein Kommilitone eine ganze Woche vor Ort. Er hat sich die Begebenheiten angesehen, Bodenproben entnommen, Unterkünfte und Lieferanten kontaktiert. Auf Basis unserer Recherchen haben wir entschieden, ein ebenerdiges Gebäude mit Hilfe von Wellerlehm zu bauen und dabei Dachkonstruktion und Wände zu entkoppeln. Schließlich besteht in Nicaragua Erdbebengefahr.

Um vorab schon mal Erfahrungen zu sammeln, haben wir einen Probebau am Mirker Bahnhof erstellt. Dabei sind wir ziemlich schnell zu der Erkenntnis gelangt, dass der Bau mit Wellerlehm zu aufwendig ist. Stattdessen wollten wir die Wände aus Strohballen errichten und mit Lehm verputzen.

Was war der nächste Schritt?

Nils Koch to Krax: Die Finanzierung. Wir hatten ausgerechnet, dass wir zwischen 20.000 und 30.000 Euro für die Realisierung des Projektes benötigen. Also haben wir begonnen, Spenden zu akquirieren. Das war sehr ernüchternd. Von den Wuppertaler Unternehmen und Institutionen, die wir angeschrieben haben, waren nur ein oder zwei bereit, einen Beitrag zu leisten. Bei einer anschließenden Aktion in den City Arkaden sind lediglich 200 bis 300 Euro eingegangen. Der Durchbruch kam erst, nachdem wir unser Projekt in der WDR-Lokalzeit vorgestellt hatten. In den acht Tagen nach der Sendung wurden 20.000 Euro gespendet. Damit waren die Geldsorgen weg, und wir konnten mit der konkreten Planung beginnen.

Gab es Unterstützung von Seiten der Bergischen Universität?

Nils Koch to Krax: Die gab es – zum Beispiel von unserem Dekan, Prof. Dr. Felix Huber. Von ihm kam der Tipp, das Ganze als Exkursion anzumelden. Dadurch konnten wir einen Teil unserer Reisekosten über die Fakultät abrechnen. Prof. Dr. Matthias Pulsfort hat uns sein Labor zur Verfügung gestellt, sodass wir Bodenproben untersuchen konnten. Und Prof. Dr. Steffen Anders war immer ansprechbar, wenn wir Fragen hatten.

Fundamente


Was waren die größten Herausforderungen, als Sie vor Ort waren?

Nils Koch to Krax: Vor allem die Anfangszeit war sehr turbulent, weil wir uns erstmal an die Situation in Jinocuabo gewöhnen mussten. Wir waren in Gastfamilien untergebracht und hatten mit sprachlichen Barrieren zu kämpfen, weil nur wenige von uns Spanisch konnten. Hinzu kamen die Rahmenbedingungen. Fließendes Wasser gab es beispielsweise nicht. Morgens um vier Uhr wurde die Pumpe angeschmissen, um sämtliche Behälter zu füllen. Mit diesen Mengen musste man dann auskommen. Auch das Essen war nicht jedermanns Sache: Drei Mal täglich gab es Reis mit Bohnen. Dazu Mais-Tortillas und ab und an Suppe und Fleisch. Probleme hat natürlich auch die Hitze bereitet: Bei 40 Grad im Schatten den ganzen Tag körperlich anstrengende Arbeiten zu verrichten war nicht ohne. Ich habe in der ersten Zeit acht Liter Wasser pro Tag getrunken – ohne einmal zur Toilette zu müssen.

Lief der Bau trotzdem wie geplant?

Nils Koch to Krax: Nicht ganz. Fast jeder Tag hatte eine neue Herausforderung zu bieten. Beispiel Bambus: Die gelieferten Stangen mussten von uns nachbearbeitet und auf Länge gebracht werden. Die Triebe waren nur mit der Machete abgehauen worden, und wir mussten diese Stellen mit der Handsäge sauber glätten. Zudem war der Bambus nicht behandelt worden, sodass wir Bäder anlegen mussten, um das Holz zu konservieren. Der Beton für den Sockel kam mit dem Linienbus, und wir mussten die Säcke von der Halte- zur Baustelle transportieren – zumindest in der ersten Zeit. Gegen Ende kam dann noch eine ganz große Überraschung: Die letzte Märzwoche war wegen eines Feiertages eigentlich frei. Das hätte unsere Zeitplanung natürlich komplett durcheinandergebracht. Wir konnten uns mit den Dorfbewohnerinnen und -bewohnern, die uns unterstützt haben, aber zum Glück darauf einigen, dass die Arbeiten am Bau zumindest an einigen Tagen fortgesetzt wurden. Zusätzlich haben drei Mitglieder der Gruppen noch einige Tage ihrer Mittelamerikareise geopfert, um den betriebsbereiten Rohbau fertig zu stellen.

Was haben Sie aus dieser Zeit für Beruf und Studium mitgenommen?

Nils Koch to Krax: Ganz klar die Erkenntnis, dass nicht alles planbar ist. Es passiert immer etwas Unvorhergesehenes. Und die Fähigkeiten, aus Fehlern zu lernen sowie Menschen trotz sprachlicher und kultureller Hürden anzuleiten.

Wie ging es nach dem Abschluss des Baus weiter?

Nils Koch to Krax: Das letzte Mitglied unserer Gruppe ist erst Anfang Juni nach Wuppertal zurückgekehrt. Sie war nach dem Projekt noch durch Südamerika gereist. Jetzt werden wir uns zu Nachbesprechungen treffen. Wir wollen u.a. unsere Erfahrungen verschriftlichen und für ein mögliches Folgeteam aufbereiten. Nochmal können wir sicherlich nicht so viel Zeit und Aufwand in ein Projekt investieren. Aber wer in unsere Fußstapfen treten möchte, wird gut von uns betreut werden.

Kontakt:
Nils Koch to Krax
Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen
Lehr- und Forschungsgebiet Baubetrieb und Bauwirtschaft
E-Mail kochtokrax[at]uni-wuppertal.de

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